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Vorteilhafte Stärken introvertierter Menschen & worin sie anders sind als Extrovertiere
In der heutigen Welt der lauthalsen Selbstoffenbarung und rasant wachsenden Communitys macht es den Anschein, als ob Extrovertierte im Vorteil seien und Erfolg nur so auf sie warte. Introvertierte Mitmenschen hingegen werden wegen negativer Vorurteile in ihrem Potenzial nicht anerkannt und kaum wahrgenommen. Sie gehen in der Flut der Hypes und Sensationen unter.
Wer reserviert, zurückgezogen, hinterfragend oder zögerlich ist, wird unangebrachter Weise als unfreundlich, harsch, labil oder gar asozial tituliert. Dabei ignoriert man die wertvollen Stärken und reellen Vorteile introvertierter Menschen.
Übrigens ist Schüchternheit nicht gleich introvertiert sein! Das wird oft gleichgesetzt oder verwechselt! Beide können sich in einem Menschen zum Ausdruck bringen – aber er gibt auch Extrovertierte, die schüchtern sind! Bei Schüchternheit geht’s um die Angst vor sozialem Urteil (was sagen oder denken denn die anderen von mir, wenn ich das tue). Introvertiertheit bezieht sich auf die eigene Reaktion äusserer Einflüsse, Situationen, der Umwelt und dem Umfeld. Introvertierte Menschen fühlen sich wohl, leistungsfähig und voller Energie in gemässigter, ruhiger Umgebung.
Leise Töne grosse Wirkung!
Konzentration aufs Wesentliche. Ist dir das auch wichtig?
Tatsächlich: Wer offen auf Mitmenschen zugeht, sich selbst gut und gerne präsentiert, andere mit Leichtigkeit in Gespräche verwickelt und gute Unterhalterqualitäten hat, sticht in vielen Situationen hervor. Viel Wind und Wirbel heisst aber nicht automatisch viel Kraft für die zu erledigenden Aufgaben zur Verfügung zu haben. Unspektakulär auftretende introvertierte Menschen erhalten oft ungefragt Tipps und Ratschläge, wie sie ihre Schüchternheit überwinden und besser aus sich herauskommen können. Doch, ist dies wirklich ihr Problem oder ihr Ziel? Und werden sie dadurch «besser»? NEIN!
Klären wir eine Tatsache: Introvertiertheit ist eine innere Ausrichtung, ein genetisch verankerter Teil der Persönlichkeit. Wohingegen Schüchternheit ein antrainiertes Verhalten und erlernte Einstellung ist. Deshalb kann Schüchternheit behandelt werden.
Es mag unter gewissen Umständen tatsächlich hilfreich sein, wenn man locker auftreten kann und mit Leichtigkeit Menschen begeistert. Zum Beispiel beim Halten eines Vortrags oder wenn man etwas von sich erzählen sollte im Bewerbungsgespräch. Aber im Alltag, hat jemand, der voll konzentriert auf eine Sache ist, somit introvertiert erscheint, auch Vorteile!
Fact ist: ca. 1/3 der Menschen sind vorwiegend introvertiert, 1/3 der Menschen vorwiegend extrovertiert und der restliche Drittel beides, d.h. ambivertiert. Die haben es vielleicht etwas einfacher im Leben, weil sie situativ beide Stärken ausspielen können.
Wie bist du veranlagt?
Die Autorin Beth Buelow «The Introvert Entrepreneur» schreibt:
«Es geht nicht darum, ein Pseudo-Extrovertierter zu werden, sondern darum, die wertvollen Eigenschaften Introvertierter anzuerkennen.»
Grosse Herausforderungen für introvertierte Genies
Nein, nicht jeder in sich ruhende, philosophierende oder forschende Introvertierte ist gleich Vincent van Gogh, Mahatma Ghandi, Albert Einstein, Google-Chef Larry Page, Facebook-Chef Mark Zuckerburg oder Steve Jobs. Diese grossartigen Vordenker, Künstler und Unternehmer hatten eines gemeinsam: Um in ihre kreative Kraft zu kommen und unermüdlichen Durchhaltewillen zu stärken zogen sie sich in die Stille zurück.
Doch die heutige Arbeitswelt mit agilen Teams, Schulen, die ständig Gruppenarbeiten beauftragen oder HR, die auf Entertainment und zur Show getragene Auszeichnungen achten und nicht zuerst auf innere Werte, gestalten das Leben stiller Menschen schwerer. Die Privatsphäre in Firmen mit Grossraumbüros geht verloren. Nur, genau in dieser privaten Ruhe eines Arbeitszimmers können introvertierte Kreativität und Lösungsideen für Probleme zur Entfaltung kommen. Ständige Reize (ob soziale, sonore, visuelle oder olfaktorische ist egal), Anforderungen, Veränderungen oder Zeitdruck sind sehr ungünstig für geniale Köpfe.
Auch wenn das google-Konzept der Mitarbeiterführung viele Gemeinschaftsräume bietet und Ideenaustausch fördert, so wird die Eigenheit der Mitarbeiter stark berücksichtigt. Rückzug ist jeder Zeit möglich, Meditationsräume oder Silence Kopfhörer gehören zum Standard. Das ist das Erfolgsrezept.
Rückzug ist keine Depression!
Introvertierte laden ihre Batterien auf, wenn sie allein sind, erklärt Dr. Jennifer Kahnweiler, Autorin des Buches «Die Stärken der Stillen». Für sie unterscheiden sich introvertierte von extrovertierten Menschen vor allem dadurch, dass sie ihre Energiereserven in der Ruhe und im Rückzug aufladen. Der Kontakt zu anderen Menschen oder eine Reizflut wiederum kostet sie Energie. Sie bevorzugen Bücher oder Schach dem Biergarten oder Fussballmatch.
Extrovertierte Menschen hingegen können in der Menschenmenge, auf der Bühne oder im Team aufblühen und auftanken. Gerade in Coronazeiten mit Homeoffice ist das für sie schwierig. Doch Introvertierte freuen sich. Nicht wegen der Krise, aber das Arbeiten von zu Hause aus gefällt ihnen. Vorausgesetzt sie können sich dort ein eigenes Büro einrichten. Springen jedoch Kinder herum, der Staubsauger brummt, der Postbote klingelt oder die Töpfe scheppern in der Küche, so ist dies wiederum kräftezehrend.
Die Umfrage in einer Studie aus dem Jahr 2008 zeigte auf, dass introvertierte Menschen länger brauchen, um Informationen zu verarbeiten. Nicht, weil sie langsamer wären, sondern weil sie gründlicher sind. Für sie ist es wichtig, sich mehr Zeit zu nehmen, um eine Situation oder ein Problem in der Ganzheit zu verstehen, bevor sie sich etwas anderem annehmen. Und das machen sie eben am liebsten mit Rückzug in die Stille.
8 grossartige Eigenschaften introvertierter Menschen
Ein guter Mix aller Charakterausrichtungen macht ein Team, ein Unternehmen und auch eine Familie erfolgreich und ausgeglichen. Wenn wir die Vorzüge und Qualitäten der anderen kennen und schätzen lernen, uns bewusstwerden, wie bereichernd die Gegenpole sind, entwickelt sich eine erfolgsorientierte Dynamik. Introvertierte sind oftmals nicht nur gründlicher, auch in folgenden acht Eigenschaften sind sie extrovertierten Menschen häufig einen Schritt voraus:
- Sie sind genaue Beobachter
Aus ihrer Zurückgezogenheit heraus ist es Introvertierten möglich, voller Konzentration eine Situation, ein Verhalten oder die Umwelt zu beobachten. Sie fokussieren sich auf ihre Aufgabe oder ihr Dasein. Die Praxis zeigt: introvertierte Personen verstehen es, nonverbale Signale wie Körpersprache oder Gesichtsausdrücke wahrzunehmen und zu deuten. Menschen, die viel in Interaktion mit anderen sind, können gewisse Signale aus der Umwelt entgehen. Wer eher eine stille Rolle in einer Gruppe einnimmt, kann mehr Energie darauf verwenden, zu verstehen, was gerade passiert.
- Sie sind geduldige & aufmerksame Zuhörer
Sehr wertvoll sind Mitmenschen, die einem nicht ständig ins Wort fallen… Die Tugend, interessiert und aktive zuzuhören geht im Profilierungswahnsinn ausgeprägter Extrovertierter vergessen. Doch, wer nicht so gerne spricht, hört lieber ganz genau zu. (und memorisiert!)
Die Autorin Beth Buelow gibt zu bedenken: extrovertierte Menschen sind manchmal so sehr im Flow, dass sie in einer Konversation zu schnell voranschreiten, ohne exakt zu erfassen, was das Gegenüber gesagt habe. Nicht aus Egoismus oder Ignoranz, sondern weil sie Informationen interaktiv verarbeiten und vernetzen. Sie sind aktiv im Austausch mit Informationen und setzen andere Prioritäten.
Introvertierte Personen hingegen verarbeiten Informationen nach innen gerichtet. Das heisst, sie hören zu, überlegen, evaluieren sorgfältig und antworten erst dann. Es ist ihnen wichtig, konkrete, bedachte, wertvolle und realistische Reflektionen zu teilen und nicht mit hypothetischen Annahmen einfach einen Beitrag zu leisten.
- Sie sind hervorragende Geistesakrobaten
Die Komplexität eines Problems erkennen, Lösungen erarbeiten, Konsequenzen abwägen und das fertige Ergebnis mental / gedanklich durchspielen und prüfen – das ist die Qualität einer introvertierten Fachkraft oder Mitmenschen. Dabei braucht der Introvertierte seine Ruhe und Zeit. Erst dann wird er seine Arbeit publik machen. In einer Team Brainstorming – Runde kommt von ihm jedoch selten ein Input oder spontane Idee.
Weil sich viele Introvertierte unwohl fühlen, wenn sie reden, wägen sie sorgfältig ab, ob sie etwas sagen und wenn ja, was sie sagen sollen. Sind viele Extrovertierte in der Runde gehen die Ideen der Introvertierten unter. Ja schlimmer noch! Ihnen wirft man vor, unproduktiv, nicht involviert oder passiv zu sein. Das stimmt nicht!!! Ich plädierte inbrünstig für mehr Verständnis gegenüber grossarten Denkern und Analysten. In der Stille entfaltet sich ihre Kreativität aus ihrer Gedankenwelt.
Fazit: Introvertierte reden nur, wenn sie wirklich Wichtiges zu sagen haben. Sie denken nach bevor sie sprechen, hmmm, das könnte einigen Wirbelwinden unter Extrovertierten auch Vorteile bringen…
- Sie sind loyale Freunde und treue Partner
Introvertierte Erdenbürger bevorzugen wenige, dafür hochwertige Kontakte. Wer seine Batterien aufladen kann, wenn er allein ist, sucht sich seine Gesellschaft besonders sorgfältig aus. Extrovertierte Menschen hingegen brauchen ein grosses Umfeld mit vielen Menschen.
Berth Buelow bestätigt: «Introvertierte Personen sind wählerisch in der Auswahl ihrer Freunde. Es braucht etwas Geduld, um ihnen wirklich nahe zu kommen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Ist das Eis geschmolzen so zeichnen sich Introvertierte durch grosse Loyalität, ungeteilte Aufmerksamkeit und viel Engagement für die Freundschaft aus.»
Bist du in einer beruflichen oder privaten Partnerschaft? Vielleicht hast du einen introvertierten Menschen als Partner oder bist selbst einer. Ganz wichtig ist, dem Introvertierten gewisse Freiräume zugestehen und ihm Rückzugsmöglichkeiten zu gewähren.
Bei Problemen gilt, ihm Zeit zur Reflexion zu lassen und ihn nicht mit totreden der Situation zu stressen, denn dann sagt er erst recht nichts mehr. In einer Liebesbeziehung sind introvertierte Personen sind weder kuschelig, romantisch noch allzu anhänglich. Sie offenbaren ihre Gefühle eher mit kleinen Taten als verbal. Deshalb braucht es ein bisschen Geduld, bis man ihr Herz erobert hat.
Auch in einer beruflichen Partnerschaft sind Introvertierte äusserst loyale Weggefährten, vornehmliche Teilhaber und können sich selber gut zurücknehmen.
- Sie sind überlegte Netzwerker
Extrovertierte Personen knüpfen an Networking-Anlässen mit möglichst vielen Menschen Kontakte. Oftmals entstehen dabei eher oberflächliche Kontakte und wertvollem Nachgang.
Networking und introvertiert sein? Passt das zusammen? Auf den ersten Blick nicht, auf den Zweiten sehr wohl! (zur Erinnerung: Introvertierte sind nicht per se scheu!) Introvertierte planen ihren Netzwerkanlass, suchen sich im Vorfeld die interessanten Personen genau raus und überlagen, was sie dabei sagen. Und sie hören ihrem Gegenüber oftmals auch mehr und besser zu und lernen so mehr von ihren Gesprächspartnern. Pointiert teilen sie ihre Meinung und bleiben deshalb oft nachhaltig in Erinnerung. Bei erneutem Treffen wissen sie haargenau, was beim letzten Mal besprochen wurde.
- Sie sind unabhängig und eigenverantwortlich
Die innere Freiheit zu geniessen und selbstständig zu leben oder arbeiten sind Privilegien introvertierter Menschen. Ihre Stärke zeigt sich im Raum, den sie sich anderen gewähren, um sich zu entwickeln und wirken. Diesen Raum gilt es zu respektieren und die Grenzen zu wahren – aber auch klar abzustecken. Durch ihre Gedankenwelt sind sie nicht abhängig von äusseren Inputs, im Gegenteil!
Sie fühlen grosses Verantwortungsbewusstsein was ihre Vorsicht bei allem Neuen und das lange Überlegen erklärt. Veränderungen werden nicht überstürzt umgesetzt, sondern mit Bedacht im eigenen Tempo angegangen. Dabei überprüfen sie stets die Verträglichkeit mit allen Involvierten oder den Konsequenzen. Bekannt sind ihre die Pro- und Contra-Listen. Das benötigt seine Zeit.
- Sie sind wertschätzende Vorgesetzte
Je nach Managementstufe ist es eine scheinbar unpassende Kombination: Als Vorgesetzte im Rampenlicht stehen und viel kommunizieren – ein grosser Challenge für Introvertierte.
Im Buch Introvert Power: Why Your Hidden Life is Your Hidden Strength schreibt die Autorin Dr. Laurie Helgoe: «Bei extrovertierten Vorgesetzten steht vor allem erst einmal sie als Person selbst im Vordergrund und weniger das Team und dessen Leistung.»
Introvertierten Chefs können sich selbst zurücknehmen und das Wirken des Teams hervorheben. Wertschätzung ist ihnen sehr wichtig, im Umgang mit Menschen aber auch mit Sachen. Ihre Sorgfalt ist ausgezeichnet. Die gut durchdachten Entscheidungen geben der Firma Halt, mindern das Risiko grösserer Fehlinvestitionen und vermitteln dem Team Sicherheit und Stabilität.
Ja, vielleicht ist der introvertierte Chef nicht an jeder Kaffeerunde dabei, gestaltet die Mitarbeitergespräche eher nüchtern und veranstaltet weniger Teamevents. Dafür ist eines sicher: Wer einen introvertierten Chef hat, kann vertrauen, dass ihm Gehör geschenkt wird. Bei Problemen wird auch hier nicht übereifrig eine Lösung angeboten, sondern analysiert, ausgewertet und dann kreativ eine Idee entwickelt.
- Sie sind der Ruhepol in Person
In der hektischen Welt voller stressigen Situationen, enormem Leistungsdruck und hitzigen Diskussionen sogen Introvertierte mit ihrer Ausstrahlung innerer Gelassenheit für Entspannung. Gerade weil sie so sind, findet man im Krisenmanagement, im Mentoring, im Kundendienst oder als Troubleshooter Menschen mit introvertierten Qualitäten. Ihre Stärke, einen kühlen Kopf zu bewahren, zahlt sich hier aus.
Die gelassene Körpersprache, das ruhige Sprechtempo, die kurzen Pausen zu Nachdenken und die vornehme Zurückhaltung sorgen für eine angenehme Atmosphäre im Austausch mit anderen. In Verhandlungen bauen sie Vertrauen auf und untermauern ihren Standpunkt mit Fakten.
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